Corona. Gegen autoritäre Krisenlösungen. Rede vom 5.2.22 in Düsseldorf

Seit nunmehr zwei Jahren schwimmen wir von einer Corona-Welle in die Nächste, ohne Perspektive auf ein absehbares Ende. Es wurden Versprechungen gemacht und wieder zurückgenommen, Thesen zu einem möglichen Ende aufgestellt und wieder verworfen.

Während die Querdenker*innen ihren Ausweg teilweise innerhalb einer riesengroßen Verschwörung suchen, die Pandemie leugnen oder kein Problem damit haben gemeinsam mit Neo-Nazis und Hooligans zu demonstrieren, befindet sich die gesamte Linke in einer Art Schwebezustand. Viele Menschen folgen der Rhetorik der Herrschenden, dass autoritäre Maßnahmen notwendig seien, um Menschenleben zu retten. Heute ist, denken wir, deutlich zu sehen, dass die Rufe nach mehr Ordnung und Kontrolle sowie die Hetze gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen wie z.B. Jugendliche oder Reisende Ablenkungsmanöver waren.

In der Debatte ist untergegangen, was eigentlich hätte getan werden können, um die Pandemie tatsächlich einzudämmen:

– Aufklärung und mehr und frühzeitiger dezentrale Impfzentren

– Zugang zu medizinischer Schutzausrüstung, Masken, Tests etc. Noch heute sind PCR-Tests viel zu teuer und die Kapazitäten nicht ausreichend.

– Ausbau der Gesundheitssysteme, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn für Pflegekräfte und mehr Personal im Krankenhaus

– Freigabe der Impfpatente! Keine Profite mit Impfstoffen. Weltweite Zugänglichkeit dieser Impfstoffe.

Alle diese Maßnahmen wurden nicht konsequent ergriffen und stattdessen wurde die Bevölkerung mit Lockdowns, Ausgangssperren, Personalienkontrollen und Datentracking drangsaliert.

Wenn wir uns den Beginn der Pandemiepolitik anschauen, wird deutlich, dass Anfang 2020 die Gefahren, welche von Covid-19 ausgingen von den Regierungen und Krisenstäben zunächst ignoriert, verschwiegen oder falsch eingeschätzt und Maßnahmen damit viel zu spät ergriffen wurden.

Als Konsequenz dieses Versagens wurde uns dann der Lockdown als alternativlos verkauft. Auch der Arzt und Historiker Karl-Heinz-Roth und Medico International machen deutlich, dass entscheidende Fehler der Regierenden erst dazu geführt haben, dass der Lockdown nötig wurde.

Unser Sozialleben wurde vollständig heruntergefahren, während sich die meisten Beschäftigten in vollen Bussen und Bahnen zum Arbeitsplatz schleppen mussten. Viele konnten nicht nachvollziehen, warum das Virus in der Freizeit hoch ansteckend sei, aber auf der Arbeit oder auf dem Weg dahin scheinbar völlig unbedenklich.

Die Folgen waren,

– dass die Behandlung von Krankheiten etc. verschleppt wurde,

– dass die Isolation zu schwerwiegenden psychischen Konsequenzen insbesondere für Kinder und Jugendliche geführt hat,

– und dass kleine Betriebe und Solo-Selbstständige finanzielle Schwierigkeiten bis hin zum finanziellen Ruin erlitten. Auch die finanzielle Situation von Studiereden, die oft in der Gastronomie oder ähnlichen Bereichen prekär beschäftigt sind, hat sich deutlich verschlechtert.

Teilweise waren die Maßnahmen wie Ausgangssperren zwar autoritär, aber sogar kontraproduktiv, da in geschlossenen Räumen die Ansteckungsgefahr eher steigt.

Dramatisch war auch die Einschränkung bzw. zeitweise Aussetzung der Versammlungsfreiheit, die soziale Bewegungen massiv geschwächt hat. So wurden selbst Menschenketten, Autokorsos oder politische Einkaufsschlangen zeitweise verboten, obwohl diese Aktionsformen keine Ansteckungsgefahr bergen.

Die herrschende Politik verfolgte hier einen Ansatz der Alternativlosigkeit, der erstens nicht alternativlos war und zweitens verheerende soziale und ökonomische Folgen für die Bevölkerung hatte. Ausgangssperren, Lockdown und die Einschränkung der Versammlungsfreiheit führten stattdessen zu einer autoritären Zuspitzung, die den Diskurs vom eigentlich notwendigen, nämlich dem Ausbau des Gesundheitssystems und die Freigabe der Impfstoffpatente, wegschob.

Doch, wen wundert’s, daraus hat man scheinbar nicht gelernt. Die derzeitige Diskussion um eine Impfpflicht versucht ebenfalls Handlungsfähigkeit zu suggerieren, wo keine ist.

Umso schlimmer, dass diese zur Folge haben könnte, dass Menschen ihre Jobs verlieren und dann bspw. keinen Anspruch auf HartzIV mehr haben.

Dass Menschen ihr Ordnungsgeld nicht zahlen oder nicht zahlen können und dann in Ordnungshaft müssen,

Dass Ärzte angehalten wären, gegen den Willen ihrer Patient*innen zu handeln.

Dass die körperliche Selbstbestimmung in einer solch rabiaten Art angegriffen wird.

Kann das gerechtfertigt werden und vor allem ist es mal wieder alternativlos?

Ausschlaggebend für die Entwicklung von Mutationen und Pandemie war und ist, dass die Impfstoffe vielen Ländern nicht in ausreichender Menge zugänglich sind. So entdeckte man Delta in Indien, wo zu diesem Zeitpunkt nur 4% geimpft waren und Omikron in Südafrika, wo 35% geimpft waren, während in ganz Afrika unter 10% eine Impfung erhalten hatten. Das macht deutlich, dass diese Pandemie nur eingedämmt werden kann, wenn die Impfstoffe freigegeben werden und dem globalen Süden zugänglich gemacht werden!

Es ist klar, dass Impfungen besser als alles andere vor schweren Verläufen und Langzeitschäden schützen. Daher sollte sich jeder, der kann, unbedingt impfen lassen! Wenn wir nun aber über eine Impfpflicht und damit verbundene Repressionen gegen Ungeimpfte diskutieren, sollten wir die Folgen berücksichtigen. Wir finden nicht, dass sie im Verhältnis stehen. Deswegen sagen wir Ja zur Impfung, aber Nein zur Spaltung durch eine solche Impfpflicht.

Zudem ist es legitim, sich zu fragen, ob eine Pflicht zur Impfung innerhalb des Kapitalismus wirklich entlang der Gesundheit der Menschen ausgerichtet ist? Wäre es so, dass der Impfstoff ein allgemein für die Weltbevölkerung zugängliches Gut ist, welches unter demokratischer Kontrolle steht und dem freien Wettbewerb entzogen ist, könnten wir sicherstellen, dass eine Impfpflicht entlang wissenschaftlicher Einschätzungen und auf Basis von Solidarität eingerichtet wird. Können wir dies auch behaupten, wenn wir wissen, wer sich an einer solchen Pflicht bereichert?

Der Nettogewinn von BioNTech betrug im dritten Quartal 2021 3,2 Mrd. €. Die BioNTech-Mehrheitseigentümer Andreas und Thomas Strüngmann sind heute mit einem Privateigentum von ca. 52 Mrd. US $ die reichsten Deutschen. Zu behaupten, es würde einzig um die Gesundheit der Menschen oder das Retten von Menschenleben gehen, ist daher falsch, denn ganz offensichtlich spielen Kapitalinteressen und Profitmaximierung eine wesentliche Rolle. Diese Pandemie bewegt sich also nicht frei vom, sondern im kapitalistischen Normalzustand!

Zuguterletzt wollen wir darauf aufmerksam machen, dass während sich das Leben vieler Menschen ins Internet verlegte, auch die Probleme der Überwachung und des Datenschutzes zugenommen haben.

Die meisten von uns haben sich längst daran gewöhnt, dass wir uns ständig ausweisen und Daten hinterlassen müssen, wann immer man irgendeine Einrichtung betreten will. Insbesondere für Papierlose Geflüchtete und Wohnungslose stellt diese Situation eine ständige Bedrohung dar. Menschen ohne Papiere haben Probleme Kaffee trinken zu gehen oder sich testen zu lassen.

Diese Ansammlung von Daten, die wir in Luca-Apps oder auf Kontaktlisten hinterlassen, machten sich aber nicht nur die Gesundheitsämter zu Nutze. Auch die Polizei und Staatsanwaltschaft missbrauchte in mehreren Fällen die angegebenen Daten für ihre Ermittlungen.

Mit Blick auf zukünftige Pandemien gilt es der Normalisierung von autoritären Maßnahmen, von Überwachung und Kontrollen entschieden entgegenzutreten. Gleichzeitig sollten wir nicht in irgendwelche Verschwörungstheorien abdriften oder uns an der Nase herumführen lassen, sondern die wichtigen Forderungen forcieren, die Pandemiebedingungen tatsächlich entschärfen:

1. Anstatt ins unermessliche steigende Profite der Pharmaindustrie braucht es die Abschaffung der Impfstoffpatente und die Verstaatlichung der Pharma-Industrie unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung!

2. Anstatt einer Impfpflicht braucht es Investitionen in eine solidarische, dem Wettbewerb entzogene Impf-Forschung und eine wissenschaftliche Informationskampagne der Bevölkerung!

3. Anstatt das Lockdowns und Ausgangssperren erst notwendig werden müssen, braucht es massive Investitionen in den Gesundheitssektor! Aufstockung des Pflegepersonals, mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten!

Außerdem brauchen wir niederschwellige Möglichkeiten zur Impfung und zur Testung in Betrieben, Schulen und Unis! Insbesondere PCR-Testungen müssen zahlreicher, billiger und leichter zugänglich für potentiell Coronainfizierte sein.

Wir sagen: Nein zur Spaltung, Nein zur politischen Heuchelei: Die Gesundheit muss vor den Profiten stehen!

Das System ist vielleicht gemein – aber nicht geheim! Lasst uns organisieren und gemeinsam dafür kämpfen, dass es besser wird. Denn eine andere Welt ist möglich!

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