50 Jahre Nelkenrevolution in Portugal

Heute vor 50 Jahren, am 25. April 1974, beendete ein bewaffneter Aufstand die faschistische Diktatur in Portugal.

Am 28. Mai 1926 putschte sich General Gomes da Costa in Portugal an die Macht, ab 1932 regierte António de Oliveira Salazar als faschistischer Ministerpräsident. Alle Parteien außer der União Nacional wurden verboten. Wer während des Abspielens der Nationalhymne nicht aufstand, konnte verhaftet werden, die Presse wurde massiv zensiert. Die freien Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Geheimpolizei PIDE terrorisierte die Oppositionellen. 1936 wurde auf den Kapverdischen Inseln das Konzentrationslager Campo do Tarrafal errichtet. 1949 wurde Portugal in die NATO aufgenommen.

Innenpolitisch waren die Kommunist:innen die Hauptgegner Salazars, diese organisierten aus der Illegalität heraus den Widerstand. Die Aktivitäten der Kommunist:innen unter den einfachen Soldaten und inmitten einiger Offiziere fielen auf fruchtbaren Boden, als die antikolonialen Befreiungsbewegungen in Afrika der portugiesischen Kolonialherrschaft immer stärkere Schläge versetzten.

Zahlreiche wilde Streiks und Aufstandsversuche aus den Reihen fortschrittlicher Militärs konnten durch die Diktatur zerschlagen werden, aber das oppositionelle Netz wuchs immer mehr. Anfang der 1970 Jahre entstand das illegale, linke Movimento das Forças Armadas (MFA, portugiesisch für Bewegung der Streitkräfte). Ziele der MFA waren die sofortige Beendigung des Kolonialkriegs, den Rückzug aus Afrika, freie Wahlen in Portugal und die Abschaffung der Geheimpolizei.

Am 25. April 1974 spielte eine Radiostation das Lied „Grândola, Vila Morena“, gesungen von dem antifaschistischen Protestsänger Zeca Afonso. Das Abspielen des verbotenen Liedes war das verabredete Geheimzeichen zum definitiven Beginn des Aufstandes des MFA. Revolutionäre Soldaten rückte mit Militärfahrzeugen nach Lissabon ein, um Ministerien, Rundfunk- und Fernsehsender sowie den Flughafen zu besetzen. Die geheime Aktion war über das ganze Land verteilt. Die Mehrheit der Regierungstruppen lief zu den Aufständischen über.

Zehntausende Portugies:innen strömten auf die Straßen, jubelten den Befreiern zu, liefen neben den Armeefahrzeugen herund sprangen auf. Die ersten roten Nelken, die der Revolution den Namen geben sollten, tauchten auf, leuchteten an den Uniformen der Soldaten und aus ihren Gewehrläufen.

Nach mehrstündiger Belagerung erklärte sich der Diktator Caetano am Abend zur Abdankung bereit und durfte nach Brasilien ausreisen. Bei der Erstürmung der Stützpunkte der Geheimpolizei PIDE/​DGS durch die Bevölkerung fielen um 20:30 Uhr Schüsse auf die Heranstürmenden. Hierbei starben vier Menschen. Aufständische verharrten dennoch vor dem Gebäude. Am nächsten Morgen ergaben sich die Polizisten. Das Archiv, die Folterwerkzeuge und das moderne Arsenal fielen in die Hände der Aufständischen. Viele PIDE-Agenten in den öffentlichen Einrichtungen, Universitäten und Schulen wurden enttarnt, der letzte Chef der Geheimpolizei in seiner Wohnung verhaftet.

Viele Verbannte und politisch Verfolgte kehrten aus aus dem Exil zurück. Mário Soares (Sozialistische Partei), der sich am Tag der Revolution bei Willy Brandt in Deutschland aufhielt, kehrte aus Paris ebenso zurück wie Álvaro Cunhal von der Kommunistischen Partei (PCP). Dieser hatte 13 Jahre in PIDE-Gefängnissen verbracht, bis ihm 1960 die Flucht gelungen war.

Die Nelkenrevolution bedeutete auch ein Ende der portugiesischen Kolonialkriege. In schneller Folge wurden Verträge mit den jeweiligen Unabhängigkeitsbewegungen abgeschlossen, die einen sofortigen Waffenstillstand und das Ende der Kolonialherrschaft enthielten.

Streiks um Lohnerhöhungen, Formen von Arbeiterkontrolle in den Betrieben und erste Ansätze von Rätestrukturen entstanden in weiten Teilen des Landes. Zahlreiche Betriebe und Landgüter wurden besetzt, die politische Rechte antwortete mit scheiternden Putschversuchen.

Genau ein Jahr nach der Nelkenrevolution wurde am 25. April 1975 bei einer Wahlbeteiligung von fast 92 % die Verfassungsgebende Versammlung gewählt, dies war die erste freie Wahl in Portugal seit 1925. Die sozialdemokratische Sozialistische Partei (PS) erhielt 116 von 250 Mandaten, die Konservativen (PPD) 81, die Kommunist:innen 30.

Angesichts der sich radikalisierenden Arbeiter:innen und Bäuer:innen, die zusammen mit dem Revolutionsrat auf die Vergesellschaftung von Betrieben und Landgütern orientierten, zog sich die mächtige sozialdemokratische PS aus der Regierung zurück. Sie bildete am 6. September 1975 eine neue Regierung, die die Basiskommissionen und linken Militäreinheiten entmachtete, einen Lohnstopp verhängte und die Herrschaft des Kapitalismus in Portugal sicherte.

Die Revolution in Portugal wurde abgewürgt, derzeit hat eine extrem rechte Partei CHEGA in Portugal massiven Zulauf, vor allem unter enttäuschten Jugendlichen. Die Geschichte ist jedoch auch in Portugal noch nicht an ihr Ende gelangt – es werden neue Portugies:innen kommen und die Frage der Revolution und des Sozialismus erneut auf die Tagesordnung setzen und aus den Erfolgen und Unzulänglichkeiten der Nelkenrevolution lernen.

Viva o 25 de Abril!

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